Wer einmal mit der U4 gefahren und diese in der HafenCity Richtung Baakenhafen verlassen hat, hat gespürt, was Felix Ament und Sarah Wiesner gemessen haben: Extreme Böen von mehr als 40 Kilometern pro Stunde auf Fußgängerniveau sind in der Hamburger Innenstadt häufig, berichten die beiden Wissenschaftler vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. „Man braucht bei Böen in der Stadt die fünffache Kraft, um seinen Schirm festzuhalten“, erklärt Sarah Wiesner auf einer Pressekonferenz der Uni. „Kommen die Böen aus Südwest, braucht es sogar die sechzehnfache Kraft. Ein so starker Wind kann auch Mülltonnen oder Aufsteller mitreißen.“

Vermessen haben die Forscher prototypisch das Gebäude der Hafencity Universität mit seinen Windverhältnissen. Mit den Daten soll ein Rechenmodell für die Stadtplanung weiterentwickelt werden, zum Beispiel für Behörden. „Wir können dann sagen, an welcher Ecke ein Straßencafé gut aufgehoben ist oder welchen Wind-Effekt ein achtstöckiger Neubau auf Fußgänger hätte“, sagt Sarah Wiesner. Maßnahmen gegen windige Ecken – wie Bäume oder eine Schutzhecke – können zunächst im Modell auf ihren tatsächlichen Effekt geprüft werden. Nützlich sicher auch für den Baakenhafen.

Mit der aktuellen Messkampagne gewinnen die Forscher jetzt Daten für ein Rechenmodell, mit dem die Windverhältnisse an konkreten Orten bestimmt werden können – detailliert wie nie zuvor.

Sechs Messmasten vor dem Gebäude der HafenCity Universität stehen im Abstand von rund 20 Metern zueinander. Sie zeigen deutlich, wie variabel der Wind in der Stadt weht: Obwohl die Masten nah beieinander stehen, unterscheiden sich die Ergebnisse in Windstärke und Windrichtung enorm. „Den Wind zu kennen, ist die Voraussetzung für weitere Parameter“, sagt Felix Ament. „Er bestimmt, wie sich Schadstoffe ausbreiten, wie hoch die Feinstaubbelastung ist und wo sich im Sommer die Hitze staut – all das wird durch den Wind gesteuert.“

Übrigens: Im Falle der extremen Böen am U-Bahn-Ausgang könnte das Universitäts-Gebäude selbst der Auslöser sein, schreiben die Forscher in einer Mitteilung. Die neuen Messdaten wiesen darauf hin, dass der Wind womöglich weniger pfeifen würde, wenn die Planer auf den nordöstlichen Zipfel des Gebäudes verzichtet hätten. Ganz genau wird dies später das Rechenmodell für die Stadtplanung zeigen.

Die Messkampagne ist Teil des BMBF-Projekts „Stadtklima im Wandel“ mit Parallel-Messungen zu Temperatur und Feinstaub in Berlin und Stuttgart.

Visualisierung: Wind HafenCity

Die Visualisierung bildet die Windverhältnisse rund um das Gebäude der HafenCity Universität ab. Orange und Gelb signalisieren hohe Windgeschwindigkeiten.

Der Film zeigt Ergebnisse der Modellrechnung für den Wind auf Fußgängerniveau. Von links – aus Südwest – weht ein durchschnittlicher „natürlicher“ Wind mit 15 Kilometer pro Stunde, so wie er über der Elbe auftreten würde. Die Gebäude der Stadt führen Verwirbelung und Ablenkung des Windes, wodurch der Wind an bestimmten Punkten beschleunigt oder abgebremst wird. Starke Windböen treten zum Beispiel an der Gebäudeecke der HafenCity Universität in der Nähe des U-Bahn-Ausgangs auf.

Fotos: UHH/CEN/Janssen, Kraetzig